Programm

ZWEI FÄLLE FÜR SHERLOCK HOLMES

Baker Street 221b – typischerweise konfrontieren Klienten, die von Sherlock Holmes‘ erfolgreichen analytischen Untersuchungsstrategien überzeugt sind, ihn in seiner Wohnung mit rätselhaften Geschehnissen und bitten ihn um seine Unterstützung. Holmes versteht sich als „consulting detective“, der sich ausschließlich mit den ihm übertragenen Problemen befasst und sich nicht als Handlanger des Polizeiapparats instrumentalisieren lässt. In den Fällen, in denen sogar Scotland Yard, repräsentiert durch den häufig glücklos agierenden Inspektor Lestrade, bei ihm vorstellig wird und ihn zur Mitarbeit gewinnen kann, führen die Recherchen des Detektivs zu entscheidend anderen Ergebnissen als die Ermittlungen der Polizei.
Ist Holmes jedoch nicht mit einer ambitionierten Aufklärungsarbeit gefordert, zieht er sich aus der Londoner Gesellschaft zurück, sucht Zerstreuung im Geigenspiel und konsumiert neben Tabak sogar Kokain oder Morphium. Diese Drogen konnten Ende des 19. Jahrhunderts legal in Apotheken erworben werden, bevor das Suchtpotenzial erkannt und ein Verbot ausgesprochen wurde.
Im vorliegenden Kriminalstück setzt Holmes sich parallel mit zwei Fällen auseinander: Als Graf von Kramm wendet sich an ihn der König von Böhmen, da er wegen eines kompromittierenden Fotos von der bekannten Opernsängerin Irene Adler, mit der er eine heiße Affäre hatte, erpresst wird. Diese droht anlässlich der bevorstehenden standesgemäßen Heirat des Monarchen das Foto in drei Tagen zu veröffentlichen. Die selbstbewusste und eigenwillige Diva und Aben-teurerin, die dem typischen Rollenbild der Frau im viktorianischen England so gar nicht entspricht, bietet nicht nur dem König Paroli, sondern fordert aufgrund ihrer überragenden Intelligenz und makel-losen Schönheit auch Holmes auf vielfache Weise heraus.
Noch bevor Holmes mit seinem Freund und Kollegen Dr. Watson aktiv werden kann, erscheint der ratlose Scotland-Yard-Inspektor Lestrade und konfrontiert Holmes mit einem vermeintlich klaren Mordfall. Holmes, der weiß, dass der eifrige Inspektor dazu neigt, Unschuldige voreilig verhaften zu lassen, nimmt sich gegen den erklärten Widerstand Dr. Watsons auch dieses zweiten Falles an.


ZWEI FÄLLE FÜR SHERLOCK HOLMES

Spielleitung   Beate Ladewig, Ulrike Manßen
Bühne und Technik   Cijam Moschref, Jonas Roßkamp
Kulissen und Requisiten   Ensemble-Mitglieder
Plakat   Beate Ladewig, Ulrike Manßen

PERSONEN

Sherlock Holmes   Mika Ammermann
Dr. Watson   Lukas Beneke
Inspektor Lestrade   Eske Giesmann
Irene Adler, Operndiva   Anna Hobbiebrunken
Lucy, ihr Hausmädchen   Antonia Rühle
Mrs. Hudson, Holmes’ Haushälterin   Ulrike Schubart
Mary Morstan, Watsons Verlobte   Nele Krenz
König von Böhmen   Thorge Schulte
Kutscher   Minh-Thao Trinh
James McCarthy   Miguel Wessling
Alice Turner   Greta Dolczewski
Geoffrey Norton, Rechtsanwalt   Philip Nejhadhashemy
Mr. Turner, Gutsbesitzer   Sören Lindemann
Patience   Inken Giesmann
Artisten, Gaukler, Hotelgäste, Passanten, Pfarrer, Polizisten, Reisende usw.
Neeske Borchers, Diana Bytyci, Jan Franzen, Daniel Hannibal,
Aileen Heibült, Janina Jelken, Lars Klockgether,
Felix Konrad, Fabian Logemann, Rebecca Konrad, Lasse Müller.
Tia Muther, Ann-Rieke Röhricht, Johann Roßkamp, Denis Simon, Niels Wellstein


DER AUTOR SIR ARTHUR CONAN DOYLE

Ein kleines Jubiläum – in diesem Jahr 2012 jährt sich zum 125. Male das Erscheinen des ersten Holmes-Bandes „Eine Studie in Scharlachrot“, in dem der Londoner Meisterdetektiv Sherlock Holmes bereits die Bekanntschaft mit seinem späteren Biografen Dr. Watson macht. Geistiger Vater dieses in die Literaturgeschichte eingegangenen Duos ist der am 22. Mai 1859 in Edinburgh geborene schottische Autor Arthur Conan Doyle, der in einem streng katholischen Elternhaus mit neun Geschwistern aufwächst. Nach seiner gymnasialen Ausbildung in den Jesuitenschulen in Schottland und Österreich studiert und promoviert er an der medizinischen Fakultät der Universität in Edinburgh. Gleich nach dem Studienabschluss arbeitet er als Schiffsarzt auf dem Walfänger „Hope“ und verfasst erste Kurzgeschichten.
Als er nach der Eröffnung einer Praxis im südenglischen Southsea vergeblich auf Patienten wartet, nutzt er die Zeit, um sich intensiver mit seiner Leidenschaft, dem Schreiben, zu befassen, und kreiert die Figur Sherlock Holmes, die ihn als Autor schlagartig berühmt werden lässt. Vier Jahre später entscheidet er, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Die Fälle von Sherlock Holmes erscheinen nun in Serie im populären „Strand Magazine“, das mit diesen Geschichten zu Englands auflagenstärkster Monatszeitschrift avanciert.
In einem Interview im Jahre 1927 führt Doyle rückblickend aus, dass er nach der Lektüre oft langweiliger Detektivgeschichten, in denen vor allem der Zufall dem Ermittelnden zur Lösung verholfen habe, die Idee entwickelt habe, wissenschaftliche Methoden in die Detektivarbeit einfließen zu lassen. So perfektioniert er in den folgenden Jahren das Schema der Detektivgeschichte mit den Figuren des scharfsinnigen, nach den Gesetzen der Logik agierenden Exzentrikers Holmes und seines kongenialen, nur scheinbar biederen Freundes und Assistenten Dr. Watson, der gleichzeitig als Erzähler fungiert. Den immer zahlreicher werdenden Rezipienten fällt es schwer, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden, da es der Autor versteht, seinen Helden in eine Welt zu versetzen, in der sich jeder Leser wiedererkennen kann: das viktorianische London. Selbst die Adresse des fiktiven Detektivs in der britischen Hauptstadt – Baker Street 221b – wird von dessen begeisterten Anhängern aufgesucht.


Da sich Arthur Conan Doyle nach einiger Zeit zu höherer Literatur berufen fühlt und keine Lust mehr verspürt, Kriminalgeschichten zu verfassen, inszeniert er in der Schweiz den Tod seines Protagonisten. Am 4. Mai 1893 stürzen Holmes und sein Erzfeind, Professor Moriarty, nach einem Zweikampf die Reichenbachfälle hinab; Holmes wird von Dr. Watson für tot erklärt. Der Tod macht den Meisterdetektiv noch realer: In der Londoner Innenstadt werden schwarze Trauerbinden getragen, aufgebrachte Leser beschweren sich über das Ableben ihres Idols, und selbst Doyles Mutter als begeisterte Leserin der Geschichten macht ihrem Sohn Vorhaltungen. Schließlich gibt Doyle dem Druck des Millionenpublikums nach, lässt seinen Helden wiederauferstehen und aus der Schweiz nach London zurückkehren. So erscheint 1902 sein wohl bekanntestes Werk „The Hound of the Baskervilles“.
Parallel zu seinen literarischen Aktivitäten begibt er sich auf eine Vortragsreise nach Amerika, besucht einige Monate Ägypten und tritt einen freiwilligen Dienst als Arzt im Burenkrieg in einem südafrikanischen Feldlazarett an. Aus seinen Erfahrungen geht die Publikation „The War in South Africa“ hervor, in der er die Politik Großbritanniens unkritisch legitimiert. Für sein vielfältiges Engagement in Südafrika wird Doyle nach dem Krieg zum Ritter geschlagen und geht als Sir Arthur Conan Doyle in die Literaturgeschichte ein. Der Autor, der ein umfangreiches Gesamtwerk hinterlässt, stirbt am 7. Juli 1930 infolge eines Herzinfarktes auf seinem Anwesen in Sussex.
Die Holmes-Geschichten werden in über 50 Sprachen übersetzt und auf vielfältige Weise verarbeitet; so taucht die Figur in Filmen, Theaterstücken, Ballettaufführungen, Hörspielen und sogar in Comics auf. „Holmes schlägt Hamlet“ titelt die NWZ am 16. Mai 2012 und berichtet, dass Holmes die am häufigsten verkörperte Filmfigur sei. Holmes habe mit 254 Verfilmungen „seinen schärfsten Konkurrenten – Shakespeares Hamlet – um 48“ übertroffen. Insgesamt seien 75 Schauspieler in die Rolle des Meisterdetektivs geschlüpft. Den ersten und kürzesten Auftritt habe Holmes 1890 in einem 30-Sekunden-Stummfilm gehabt; die neueste actionreiche Filmproduktion des Jahres 2011 zeigt Robert Downey Jr. in der Titelrolle.


Holmes:
Nichts ist trügerischer als eine offenkundige Tatsache.
There is nothing more deceptive than an obvious fact.

*

Holmes:
Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahr-scheinlich sie auch klingen mag.
When you have excluded the impossible, whatever remains, however improbable, must be the truth.

*

Holmes:
Das Leben ist unendlich viel seltsamer als irgendetwas, das der menschliche Geist erfinden könnte.
Life is infinitely stranger than anything which the mind of man could invent.