Programm

Herkules und der Stall des Augias

Herkules, Sohn des Zeus und der Alkmene, ist der berühmteste Held der griechischen Mythologie. Schon als Säugling erwürgte er in der Wiege zwei Schlangen und verrichtete später im Dienste des Königs Eurystheus die Taten, die unter dem Namen „Die zwölf Arbeiten des Herkules“ bekannt sind: So erlegte er den Nemeischen Löwen und die Lernäische Schlange, erjagte die Kerynitische Hirschkuh, fing den Erymanthischen Eber und reinigte in einem Tag die verdreckten Ställe des Königs Augias von Elis.
Diese fünfte Aufgabe stellt Dürrenmatt in den Mittelpunkt seiner Komödie. Bei ihm wird aus der sagenumwobenen Heldenfigur ein von finanziellen Nöten geplagter, seiner vermeintlich großen Taten überdrüssiger Herkules. Von Augias nach Elis gerufen, soll er für ein Honorar das ganze Land säubern, das in seinem eigenen Mist zu versinken droht. Anspielungen auf die Schweiz sind unverkennbar. Es ist von Kuhglocken, Milch, Käseproduktion und Viehwirtschaft die Rede; Großbauern heißen vom Säuliboden, von Käsingen und von Milchiwil. Die elischen Schweizer waten bis zum Nabel im Mist, gleichzusetzen mit Korruption, Schlendrian, Cliquenwirtschaft, Bürokratie.
Natürlich wehrt sich die herrschende Bürokratie mit ihren Paragraphen, Einwendungen und Bedenken gegen jede Säuberung des Landes. Besonders die bornierte Haltung des Familienamtes und des Schulamtes verhindert eine notwendige Erneuerung. Herkules, der die Situation mit einem Schlage verändern könnte, sind die Hände gebunden, er ist zum Scheitern verurteilt. Auch seine privaten Schwierigkeiten spitzen sich zu. So kann er die amourösen Erwartungen, die die Elierinnen an den Kraftprotz knüpfen, nicht erfüllen; er engagiert einen Stallknecht für die nächtlichen Strapazen in seinem dunklen Zelt. Seine Geliebte, ehedem die berühmteste Hetäre Griechenlands, überläßt er dem Sohn des Augias.
Während Herkules sich am Ende dazu aufrafft, Stymphalien von Vogelkot zu befreien, zieht Augias sich in seinen Garten zurück, wo er Mist in Humus verwandelt hat.


Herkules
und der Stall des Augias
von
Friedrich Dürrenmatt

Spielleitung   Beate Ladewig, Ulrike Manßen
Technik   Hanno Kröncke, Florian Meinen, Jan Meinen

Herkules, Nationalheld   Jonathan Hartmann
Dejaneira, seine Geliebte   Melanie Wagho
Polybios, sein Sekretär   Frederike Potthoff
Augias, Präsident von Elis   Merle Stets
Phyleus, sein Sohn   Carolin Kröncke
Iole, seine Tochter   Wiebke Lintz
Kambyses, sein Stallknecht   Frida Froböse
Lichas, ein Briefträger   Katrin Rosendahl
Tantalos, Zirkusdirektor   Thomas Kathmann
9 Parlamentarier   Hilke Einkopf (Pentheus vom Säuliboden), Frida Froböse,
Jantje Grünjes,  Til Grüne,  Elisabeth Huber (Kadmos von Käsingen),
Katrin Rosendahl,  Simone Scharnowski (Sisyphos von Milchiwil),
Ulrike Schiller, Thomas Stock
Elier   Julius Everling, Jessica Väth, Andreas Wagho
Bühnenarbeiter   Christian Gruh, Andreas Vosseler
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Pause nach dem 7. Bild
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Plakat   Carolin Kröncke, Wiebke Lintz
Nationalhymne   Brigitte Kraus, Markus Sarwas,
Schüler/-innen  des Musikzweigs (Jg. 8+9)


Jede politische Struktur läßt sich von zwei Seiten aus darstellen: von jener der Mächtigen und von jener der Ohnmächtigen aus.

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Die Furcht vor dem Kunstwerk ist bei den Mächtigen eine doppelte: daß die Ohnmächtigen entweder in ihm ihre Beherrscher oder in ihm sich selber als

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Jedes Kunstwerk kann politisch wirksam werden: Es kann sich in ein politisches Gleichnis verwandeln.

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Im Erleben eines Kunstwerks als politisches Gleichnis wird jenes für den, der es erlebt, mit der politischen Wirklichkeit gleichgesetzt.

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Die Welt (die Bühne somit, die diese Welt bedeutet) steht für mich als ein Ungeheures da, als ein Rätsel an Unheil, das hingenommen werden muß, vor dem es jedoch kein Kapitulieren geben darf. Die Welt ist größer als der Mensch, zwangsläufig nimmt sie so bedrohliche Züge an, die von einem Punkt außerhalb nicht bedrohlich wären, doch habe ich kein Recht und keine Fähigkeit, mich außerhalb zu stellen. Trost in der Dichtung ist nur allzu billig, ehrlicher ist es wohl, den menschlichen Blickwinkel beizubehalten.

[…] und durch nichts läßt sie [unsere mit allen Wassern gewaschene Zeit] sich bei-kommen: Sie hat das Publikum erzogen, in der Kunst etwas Weihevolles, Heiliges, Pathetisches zu sehen. Das Komische gilt als das Minderwertige, Dubiose, Un-schickliche, man läßt es nur gelten, wo es einem so kannibalisch wohl wird als wie fünfhundert Säuen. Doch in dem Moment, wo das Komische als das Gefährliche, Aufdeckende, Fordernde, Moralische erkannt wird, läßt man es fahren wie ein heißes Eisen, denn die Kunst darf alles sein, was sie will, wenn sie nur gemütlich bleibt.

(F. Dürrenmatt)