Programm
Harold und Maude
Harold Chasen, ein achtzehnjähriger junger Mann aus einer noblen Familie, will keine rechte Freude am langweiligen und durch zahlreiche Normen bestimmten Leben des gehobenen Bürgertums finden, das seine dominante Mutter ganz und gar repräsentiert. Um seine gewünschte Anpassung zu boykottieren, entwickelt Harold eine merkwürdige skurrile Sehnsucht nach dem Morbiden. So demonstriert er zum Beispiel, wie es ist, am Strick zu enden, mit einem Messer im Rücken im Pool zu ertrinken, sich in eine Harakiri-Klinge zu stürzen oder zu explodieren.
Der blutrünstigen Selbstmordinszenierungen überdrüssig und ent-schlossen, ihren Sohn in die gesellschaftliche Normalität einzubinden, engagiert Mrs. Chasen zunächst den erfolglos agierenden Psycho-therapeuten Dr. Mathews und nutzt dann als letzte Rettung ein Dating-Portal, um Harold in Folge mit drei sehr unterschiedlichen Heiratskandidatinnen zu konfrontieren. Der designierte Bräutigam durchkreuzt aber die Pläne seiner Mutter, indem er die Rendezvous mit grotesken Überraschungen sprengt und weiterhin seinen makabren Hobbys frönt: Er spaziert über Autofriedhöfe, verfolgt den Abriss von Gebäuden und besucht Beerdigungen, wo er der völlig unkonventionellen fast achtzig-jährigen Maude begegnet.
Sie ist ein Gegenpol zu Harold: energisch, impulsiv und lebensfroh. Die fröhlich unorthodoxe Maude verbündet sich mit dem schwermütigen jungen Harold gegen das Gleichmaß und zeigt ihm, dass man weder auf Freiheiten noch auf unbekümmerte Individualität verzichten muss und sich über das irdische Dasein freuen kann. Maudes Lebensphilosophie kommt dem „Carpe diem!“ sehr nahe, erschöpft sich aber aufgrund durchlebter Schicksalsschläge nicht darin.
Zwischen dem erwachenden Harold und der lebensbejahenden Maude entwickelt sich eine zarte Liebesbeziehung, die ihn dazu ermutigt, sie gar um ihre Hand zu bitten …
Harold und Maude
Spielleitung | Ulrike Manßen |
Bühne und Technik | Jordan Fischer |
Kulissen- u. Requisitenbau | Mitglieder des Ensembles |
Plakat | Daniela Evers |
Personen
Harold Chasen | Nicolas Konrad |
Maude | Kira Baumann |
Helen Chasen | Svea Baumgart |
Dr. Mathews | Tim Folkerts |
Pater Finnegan | Justus Högemann |
Sylvie Gazel | Lissa Allhoff |
Nancy Mersch | Alea Abels |
Sunshine Doré | Merle Theus |
Inspektor Bernard | Ida Sandersfeld |
Sergeant Doppel | Kira Rebling |
Obergärtner | Marie Lehmann |
Friedhofsgärtner | Jelle Haase |
Mary, Dienstmädchen | Emma Benz |
Möbelträger | Jan Finke, Jelle Haase, Leo Hansen, Fynn Leerhoff |
Trauernde | Tamara Borchers, Hannah Glatz, Lotta Koopmann, Rahel Köster, Johanna Langer, Jaspreet Singh, Mia Specht |
Der Autor und sein Erstlingswerk
Colin Higgins, Sohn einer australischen Mutter und eines amerikani-schen Vaters, wurde 1941 auf Neukaledonien, einer Insel im Südpazifik, geboren. In den 50er Jahren siedelte Higgins in die USA über, wo er schließlich ein Studium an der Filmschule UCLA aufnahm. In seinem letzten Studienjahr schrieb er im Fach „Drehbuch“ als halbstündige Abschlussarbeit „Harold und Maude“. Von der unkonventionellen Lovestory zeigte sich Mildred Lewis, Frau eines Produzenten, bei dem Colin Higgins u. a. als „Poolboy“ jobbte, so begeistert, dass Higgins das Manuskript in einen abendfüllenden Spielfilm umarbeitete, das er der amerikanischen Filmproduktionsgesellschaft Paramount anbot.
Nach anfänglichem Zurückschrecken vor dem unorthodoxen Stoff – in simplifizierter Verkürzung: „Ein 18-Jähriger treibt es mit einer 80-Jährigen!!!“ – und auch angesichts der Prüderie der amerikanischen Gesellschaft der 60er und 70er Jahre kommentierte der Paramount- Produktionschef Robert Evans das Filmvorhaben selbstbelustigt: „Ich werde dafür gefeuert werden. Ein unbekannter Regisseur [Hal Ashby], ein Poolboy als Autor, zwei unmöglich zu besetzende Rollen, Zeit für die Zwangsjacke.“ Trotz mancher Startschwierigkeiten avancierte der Film „Harold und Maude“, der sich vehement gegen fragwürdige Moralvorstellungen und standardisierte Prinzipien des menschlichen Zusammenlebens stellt, letztlich zu einem Kultfilmklassiker der Flower- Power- Zeit.
Nach der gelungenen Verfilmung von „Harold und Maude“ erarbeitete Higgins eine inzwischen vergriffene Romanversion und ein Bühnen-stück, das nach wie vor weltweit Theatererfolge feiert, und schrieb darüber hinaus zahlreiche Drehbücher für Filme und Fernsehspiele der 70er und 80er Jahre. Doch keine seiner Produktionen brachte es zu solch einer treuen und eingeschworenen Anhängerschaft wie der Klassiker „Harold und Maude“, von dessen Titelfiguren der Kölner Stadtanzeiger mit einem der Stimmung des Films durchaus angemessenen Augenzwinkern schrieb, sie seien „das denkwürdigste Kinopaar seit King Kong und der weißen Frau.“
Peter Nusser: Schwarzer Humor
Wir bezeichnen als „schwarz“ das, was wir nicht sehen wollen, was undurchsichtig bleiben soll, was wir verdrängen und mit Tabus belegen, das also, was uns mit Angst erfüllt. Die größte Angst, die wir haben, ist die Angst vor dem eigenen Tod und vor den Umständen, die ihn herbeiführen (z.B. Katastrophen) oder in denen sich das Sterben vollzieht. Dass wir an Sterben und Tod so wenig denken, zeigt, wie wirksam unsere Verdrängungsarbeit ist.
Was ist nun Schwarzer Humor? Ist er Humor über „Schwarzes“ – also die humoristische, spielerisch distanzierte Einstellung gegenüber dem, was wir aus Angst mit dem Tabu belegen?
Man nähert sich den Antworten auf diese Frage, wenn man zunächst konstatiert, dass der Schwarze Humor mit dem „Schwarzen“, also auch mit unseren verdrängten bzw. unterdrückten Ängsten, auf eine ganz bestimmte Art und Weise umgeht, nämlich spielerisch. Wo dieser Spielcharakter, der in den Erscheinungsformen des Schwarzen Humors immer mehr oder weniger stark ins Bewusstsein gerückt wird, nicht mehr zu erkennen ist, stehen wir vor dem blanken Horror oder dem Sadismus, die uns die innere Distanzierung zu versperren und lediglich unseren Schrecken oder unsere Grausamkeit zu evozieren suchen.
Das allgemein Gültige, „Normale“, an das der Schwarze Humor anknüpft, ist unsere ins Unbewusste abgedrängte Angst vor Tod, Krankheit und Verletzung und unsere Angst vor der eigenen Triebhaftigkeit. Schwarzer Humor zeigt den provokant angstfreien, also den „unnormalen“ Umgang mit ebendieser Angst in seinen verschiedensten Spielarten. Immer wieder wird ein Missverhältnis sichtbar zwischen den Tabubereichen und dem das Tabu durchbrechenden Spiel mit ihnen. Fraglich aber bleibt, inwieweit wir als Rezipienten des Schwarzen Humors individuell nicht doch emotional so betroffen sind, dass uns das Lachen vergeht. Denn indem der Schwarze Humor im spielerischen Umgang mit den Tabus nicht nur die belustigenden Abweichungen von der Norm gestaltet, sondern eben auch diese Norm in Erinnerung ruft, ohne die ein Missverhältnis gar nicht bewusst würde, ruft er immer zugleich auch unsere verdrängten Ängste wach, so dass Lachen und Schrecken sich zusammenschließen.
Maude: Los, Harald. Jeder hat das Recht, sich lächerlich zu machen. Du kannst der Welt nicht zu viele Entscheidungen über dich einräumen.
Harold: So etwas habe ich aber noch nie gemacht!
Maude: Versuch jeden Tag etwas Neues. Dazu ist uns das Leben gegeben, dass wir versuchen, hinter die alltäglichen Geheimnisse zu kommen. Und das Leben dauert nicht ewig.