Programm

ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN

Zwei liebenswerte alte Damen, die Schwestern Abby und Martha Brewster, führen im Stadtteil Brooklyn (New York) Anfang der vierziger Jahre neben Friedhof und Pfarrhaus ein beschauliches Leben. Pfarrer Dr. Harper erscheint des Öfteren bei den beiden zum Tee, und auch die Ortspolizisten schauen gerne auf ein Schwätzchen vorbei. Alle Widrigkeiten einer unüberschaubaren Gegenwart prallen nach Einschätzung ihres Neffen, des Theaterkritikers Mortimer Brewster, an diesem Bollwerk der guten alten Zeit ab. Er, der sich häufiger im Hause seiner Tanten aufhält, um die liebreizende Pfarrerstochter Elaine zu treffen, stolpert dabei eines Tages zufällig im Salon über eine Leiche. Sofort fällt sein Verdacht auf seinen persönlichkeitsgestörten Bruder Teddy, der sich einbildet, er sei Präsident Theodore Roosevelt. In der Nachbarschaft und bei den Ordnungshütern ist Teddys Wahn durch nächtliche Ruhestörungen bekannt, weil er regelmäßig mit seiner Trompete laut zum Angriff bläst.
Angesichts der schaurigen Entdeckung ihres Neffen Mortimer bleiben die beiden alten Damen überraschend gelassen. Sie eröffnen ihm, dass sie seit Jahren mit Hilfe ihres Ewigkeitsbeschleunigers, vergifteten Holunderweins, alleinstehende ältere Herren aus purem Mitleid ins paradiesische Jenseits befördern, da sie ihnen einen tristen, einsamen Lebensabend ersparen wollten. Den Keller ihres bürgerlichen Hauses haben die beiden Schwestern in eine letzte Ruhestätte für die Mordopfer verwandelt, wobei Teddy im Glauben, er hebe Schleusen für den Panama-Kanal aus, sie tatkräftig unterstützt hat. Der schockierte Mortimer meint anfangs noch, der Probleme Herr werden zu können, als sich die Angelegenheit mit dem Besuch seines seit Jahren verschollenen und inzwischen steckbrieflich gesuchten Bruders Jonathan zuspitzt, der in Begleitung einer Komplizin und mit einer weiteren Leiche im Gepäck bei den Tanten Unterschlupf sucht …
Der Komödienklassiker ist ein Evergreen des schwarzen Humors mit groteskem Witz und absurder Phantasie, wobei der Gegensatz zwischen bürgerlicher Idylle und Abgründen des Grauens für ein makabres Vergnügen sorgt.


ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN

Spielleitung   Beate Ladewig, Ulrike Manßen
Bühne und Technik   Philipp Gronotte, Malte Hoff
Kulissen- u. Requisitenbau   Sönke Brakenhoff, Tristan Oltmanns
und Ensemble-Mitglieder
Kostüme, Maske   Marie-Christin Beeken, Sabine Rickels
Plakat   Beate Ladewig, Ulrike Manßen

PERSONEN

Abby Brewster   Alke Rickels
Martha Brewster   Katharina Agena
Teddy Brewster   Hendrik Loysa
Mortimer Brewster   Jann Eyhusen
Jonathan Brewster   Eike Ahlers
Dr. Einstein   Nadine Ahlers
Elaine Harper   Cosima Lippert
Dr. Harper   Jan-Niklas Alberts
Leutnant Rooney   Lennart Schröder
O´Hara   Lyn Janßen
Klein   Rusanna Yesajan
Brophy   Madeleine Winkler
Carter   Birte Wolff
Brown   Anja Bielefeld
Wilson   Vera Santen
Mr. Gibbs   Laura Heinisch
Mr. Witherspoon   Tonia Tholen
Leiche   Regina Fauerbach


DER AUTOR JOSEPH KESSELRING

Als Sohn deutschstämmiger Eltern wurde Joseph Kesselring 1902 in New York City geboren. In den zwanziger Jahren war er zunächst Englischlehrer am Bethel College, Kansas, danach Sprecherzieher, Musiklehrer und Leiter eines Laientheaters in Lake Placid. Von dort aus ging er zurück nach New York und verdiente seinen Lebensunterhalt als Verfasser, Schauspieler und Regisseur verschiedener Bühnenstücke und als Autor von Kurzgeschichten und Gedichten. Gegenüber der New York Times kommentierte er: „Was ich da geschrieben habe, war keine Kunst, aber es brachte uns Braten auf den Tisch!“
Als er in einer Phase der Erfolglosigkeit über die Idee zu einem neuen Stück nachsann, kam ihm seine gepflegte, charmante Großmutter in den Sinn, die ihren Enkelsohn immer mit großer Liebenswürdigkeit umsorgt hatte. Das Unvorstellbarste, was man von solch einer entzückenden alten Dame erwarten würde, wäre das Morden von Männern und das Verscharren der Leichen im eigenen Keller. Das war die Grundidee für das Stück „Arsen und Spitzenhäubchen“, dem er zunächst den Titel „Leichen im Keller“ gab. Weil viele Ideen und Figuren bereits seit Jahren in seinem Kopf herumspukten, gelang es ihm, die Komödie in nur 19 Tagen niederzuschreiben. Biographen mutmaßen, er habe mit seinem Erfolgsstück versucht, sein persönliches ödipales Drama zu verarbeiten, in dem er seine zwiespältige Beziehung zu seinem Vater, einem bekannten Chirurgen, kanalisiere. Ebenso fließe seine Verehrung für Theodore Roosevelts Zivilcourage in die Konzeption ein. Kesselring selbst formulierte in einem Brief an den Kolumnisten Walter Winchell: „Das Stück wurde von mir als das geschrieben, was es ist: erstens, eine zum Schreien abstruse Farce, zweitens, eine Satire, die mit spitzen Fingern auf die angeblichen Helden des New Deal zeigt, auf die Polizei, auf die Theaterkritiker und auf die würdevollen Nachkommen der Mayflower.“
Das Stück lief bis zum 17. Juni 1944 genau 1444-mal am Broadway, brachte über 4 Millionen Dollar ein, und Hollywood kaufte sogleich die Filmrechte.


DER FILMKLASSIKER

Als der Regisseur und Produzent Frank Capra „Arsen und Spitzenhäubchen“ am Broadway gesehen hatte, wollte er diese durch und durch schwarze Komödie um jeden Preis auf die Leinwand bringen. In nur vier Wochen entstand 1941 eine der schönsten Kriminalgrotesken der Filmgeschichte. Diese Filmadaption konnte Capra jedoch erst 1944 zeigen, da er sich in einer Vertragsklausel verpflichtet hatte, mit dem Filmstart so lange zu warten, bis das Bühnenstück abgesetzt war. Es gelang ihm, den Bühnenerfolg auf der Leinwand triumphal zu wiederholen. Seine exzellente Inszenierung und sein absolutes Gespür für Timing, äußerst witzige Dialoge, ein rasantes Drehbuch sowie ein brillantes Ensemble haben die Kriminalgroteske zu einem Kultfilm gemacht.
Die beiden Broadway-Schauspielerinnen Jean Adair und Josephine Hull tun als die Brewster–Schwestern alles, um die Verrückten als normal und die Normalen als Exzentriker erscheinen zu lassen. Für die Zuschauer ist es irgendwann selbstverständlich, alten Männern die Gnade eines frühen Todes zuteil werden zu lassen.

In der Rolle des Mortimer Brewster hätte Capra gern seinen Lieblingsdarsteller James Stewart gesehen, doch der flog in jenen Tagen als Bomberpilot Einsätze über Deutschland. So kam es zu der kongenialen Besetzung mit Cary Grant und für ihn zu einer seiner größten und erfolgreichsten Rollen, in der er sein komödiantisches Talent in grandioser Weise ausspielen kann.


Abby:
Und als Mr. Midgley dann den Herzanfall bekam und auf einmal tot in diesem Sessel saß, schaute er so friedlich aus, weißt du noch, Martha? Damals beschlossen wir, auch anderen einsamen alten Leuten zu diesem Frieden zu verhelfen.

*

Martha:
Es ist ganz einfach, lieber Junge. Auf einen Viertel Liter Holunderwein nehme ich einen Teelöffel Arsen, einen halben Teelöffel Strychnin und eine Prise Zyankali.

*

„[…] Es sollte eine ganze Weile dauern, bis der schwarze Humor der schaurig-schönen Groteske um zwei mörderische Tanten und ihren braven Neffen sich weltweit endgültig durchsetzen konnte, denn noch fast zwanzig Jahre nach dem Entstehen des Films warnte der katholische Filmdienst, dass der Film ´für Jugendliche weder verständlich noch zuträglich´ sei. Die Zeiten ändern sich […]“

(kino-zeit.de)