Programm

EINER FLOG ÜBER DAS KUCKUCKSNEST

Der US-amerikanische Schriftsteller, Dramatiker und Drehbuchautor für Film und Fernsehen Dale Wasserman (1917-2008) verfasste nach dem gleichnamigen Roman „Einer flog über das Kuckucksnest“ von Ken Kesey das tragische, aber oftmals sehr komische Theaterstück, das 1963 erstmals am Broadway in New York aufgeführt wurde.

Der ungestüme, aber charismatische Draufgänger R. P. McMurphy, aktenkundig wegen Ruhestörung, Trunkenheit, Körperverletzung, verbotener Geldwetten und festgenommen wegen Vergewaltigung, entzieht sich der harten Arbeit im Gefängnislager, indem er eine psychische Erkrankung simuliert und seine Einlieferung in die Psychiatrie provoziert. Dort trifft er auf die Oberschwester Ratched, die einerseits mit Freundlichkeit, andererseits aber auch mit unnachgiebiger Härte und erbarmungslosem Kontrollzwang regiert. Kritik und Wider-spruch ahndet sie, indem sie Patienten wegsperren oder mit Elektroschocks behandeln lässt. Ihrem rigiden Regime sind die Insassen scheinbar hilflos ausgeliefert, u. a. der pedantische und in seiner Ehe beziehungsgestörte Dale Harding, der schüchterne, stotternde, selbst-mordgefährdete Billy Bibbit und der für taubstumm gehaltene und als schizophren diagnostizierte Indianer Bromden.

Nach dem ersten Schock gelingt es dem unangepassten McMurphy, seine Mitpatienten aus ihrer Lethargie zu reißen und ihnen bewusst zu machen, dass die Oberschwester sie dazu verleitet, sich gegenseitig zu überwachen, bloßzustellen und zu demütigen. Nach und nach blühen die Insassen auf und beginnen, soziale Kontakte zu knüpfen und Empathie zu zeigen. Zwischen McMurphy und Häuptling Bromden entwickelt sich sogar eine Freundschaft, so dass dieser seine simulierte Kommunikationsunfähigkeit und damit seine selbstgewählte Isolation aufgibt.

Trotzdem machen McMurphy der reglementierte Tagesablauf und die stumpfe Routine der Anstalt schwer zu schaffen, und er beschließt zu fliehen. Als er eine nächtliche Abschiedsparty mit Alkohol und Prostituierten organisiert, eskaliert die ohnehin angespannte Situation zwischen Stationsleitung und Patienten. Mit drakonischen Maßnahmen scheint Schwester Ratched die alte Ruhe und Ordnung wiederherstellen zu können.


EINER FLOG ÜBER DAS KUCKUCKSNEST

Spielleitung Beate Ladewig, Ulrike Manßen
Bühne und Technik Jannes Manßen, Nabil Moschref
Plakat Daniela Evers

PERSONEN

Die Patienten
Häuptling Bromden Finn Behrens
Dale Harding Wilhelm Sparn
Billy Bibbit Julius Liesenhoff
Scanlon Marta Ahlers
Cheswick Sean Hillebrandt-Konjer
Martini Thanh-Minh Nguyen
Ruckly Neeltje Sandersfeld
Randle P. McMurphy Johannes Bölts

Das Personal

Pflegerin Warren Isabelle Lehr
Pfleger Williams Fabian Sommer
Dr. Spivey Lena Franzen
Schwester Ratched Fenna Sandersfeld
Schwester Flinn Svea Baumgart
Pfleger Turkle Ole Töpfel

Andere

Candy Starr Kerstin Heibel
Sandra Alexa Korczak
Techniker Jan-Hendrik Ollesch, Max Olthoff
Statisten Kira Baumann, Jette Haut, Gesa Roßkamp, Janna Siefert


Ein Film, der Geschichte schrieb 

Zu seinem Roman (1959) inspiriert wurde Ken Kesey, Schriftsteller und Aktionskünstler, durch die Teilnahme an einem CIA-Forschungspro-gramm, bei dem die Wirkung psychoaktiver Substanzen getestet wurde, und durch die Erfahrung als Aushilfspfleger auf einer psychiatrischen Station. Das Aufzeigen einer menschenverachtenden Wirklichkeit in einer Psychiatrie mit totaler Kontrolle und erbarmungsloser Bestrafung traf den Zeitgeist amerikanischer Gegenkultur zwischen Vietnam und Watergate. Der überraschende Erfolg des Romans ist sicherlich mit darauf zurückzuführen, dass er auch viele komische Momente hervorbringt. Bis heute zählt er laut  Magazin Time zu den 100 besten zwischen 1923 und 2005 publizierten englischsprachigen Romanen.

Als Kirk Douglas Anfang der sechziger Jahre das Werk las, war er so begeistert, dass er sich sofort die Rechte sicherte und Dale Wasserman um eine Theateradaption bat, in der er später die Hauptrolle spielte.

Für die Verfilmung gelang es ihm aber trotz großen Bemühens nicht, ein Film-studio zu gewinnen, so dass er letztlich zehn Jahre später die Rechte seinem Sohn Michael überließ, der den gleichnamigen Film 1975 in die Kinos brachte.

Dass die Filmcrew in den zehn Drehtagen tatsächlich ein Hospital bezog und mit den Patienten lebte, steigerte sicherlich die Authentizität der Verfilmung. Zudem trug die Besetzung mit Jack Nicholson, der den Antihelden zwischen schelmischem Genie und verzweifeltem Wahnsinn beeindruckend anlegte, zum Erfolg bei.

Der knapp vier Millionen teure Film spielte letztlich über 130 Millionen ein und gewann fünf Oscars: für den besten Film, die beste Regie, das beste Drehbuch nach einer literarischen Vorlage sowie für die beiden besten Hauptdarsteller, Jack Nicholson und seine weibliche Gegenspielerin Louise Flechter als Oberschwester Ratched.

Nicht zuletzt durch den Film wurde die Behandlung psychisch Kranker reformiert und die Lobotomie geächtet und abgeschafft. 


FACHBEGRIFFE AUS DER PSYCHIATRIE

Halluzination

Betroffene nehmen Dinge oder Personen wahr, die nicht da sind; sie hören Stimmen, die andere nicht hören, nehmen einen besonderen Geschmack oder ungewöhnliche Gerüche wahr. Halluzinierende können eine Halluzination nicht von der Realität unterscheiden.

Katatonie

Mit Katatonie beschreibt man eine extrem gestörte Psychomotorik, die zumeist eine massive Bewegungsarmut bis hin zur Erstarrung aufweist und ggf. mit stark reduzierter Mimik und Kommunikationsstörungen einhergeht.

Lobotomie

Die Lobotomie ist ein neurochirurgischer Eingriff, bei dem die Nervenbahnen zwischen Thalamus und Frontallappen durchtrennt werden. Bis in die 60er Jahre hinein wurde diese radikale Methode bei Patienten eingesetzt, deren psychische Erkrankungen als nicht heilbar galten, wie bei schweren Depressionen mit starker Unruhe und besonders aggressivem Verhalten. Sie führte zu gravierenden Persönlichkeitsänderungen und zu völlig apathischem Dahinvegetieren.

Schizophrenie

Die Schizophrenie bezeichnet eine Vielzahl von psychiatrischen Krankheitsbildern mit charakteristischen, aber vielgestaltigen Merkmalen. Man spricht einerseits von sog. Positiv-Symptomen, die dem gesunden Erleben etwas hinzufügen, beispielsweise Wahn und Halluzinationen. Negativ-Symptome andererseits schränken das normale Erleben ein: z. B. ein schwacher Antrieb, verflachte Gefühle und ein starker Leistungsabfall.

Wahnvorstellung

Als Wahn gilt eine unbeirrbare persönliche Überzeugung, die mit der nachprüfbaren Realität unvereinbar und für Argumente nicht zugänglich ist. Der Betroffene eines Verfolgungswahns wähnt sich von bekannten oder unbekannten Personen beobachtet oder bedroht und glaubt, dass diese ihm etwas Schlimmes antun werden.


EINER FLOG ÜBER DAS KUCKUCKSNEST

 

Der Titel des Stücks bezieht sich auf den Abzählreim für Kinder:

 

Vintery, mintery, cutery, corn,

Apple seed an dapple thorn,

Wire, briar, limber lock,

Three geese in a flock.

One flew east,

And one flew west,

And one flew over the cuckoo’s nest.

 

Die Absurdität der Verse offenbart sich darin, dass drei Gänse (geese) in einem Schwarm (flock) fliegen, aber gleichzeitig verschiedene Richtungen (east, west, cuckoo’s nest) wählen, und darin, dass ein Kuckuck kein Nest baut.

In der amerikanischen Umgangssprache bedeutet das Adjektiv cuckoo verrückt bzw. durchgeknallt, und daher kann das Kuckucksnest (cuckoo’s nest) als psychiatrische Anstalt verstanden werden.